Ich glaube fest daran, dass jeder Mensch sein Potential am besten entfaltet, wenn er in der Umgebung arbeiten kann, die ihn motiviert und inspiriert. Aber dieser Ansatz hat nicht nur Lifestyle-Gründe, auch aus betriebswirtschaftlicher Sicht macht eine Organisation, die remote arbeitet, Sinn. Das sieht man auch an den vielen erfolgreichen Remote-Companys wie Zapier, Buffer oder Automattic.

Die großen Vorteile: Zum einen können Talente aus der ganzen Welt angezogen und für sich gewonnen werden. Zum anderen spart man aber auch eine große Menge an Overhead-Kosten wie die Ausstattung eines Büros. Zudem ist man auch deutlich flexibler, was Antwortzeiten und die Abwicklung von Projekten angeht, wenn man über mehrere Zeitzonen hinweg arbeitet.

Dauert das denn nicht alles länger?

Solange man auf einen konstanten Kommunikationsfluss achtet und die Projekte gut koordiniert, hat man meiner Erfahrung nach sogar einen Zeitvorteil. Das kommt aber natürlich auf die Unternehmenskultur, die Selbstständigkeit der einzelnen Personen und das Projektmanagement an. Arbeitet man eher ad hoc und muss ständig Rückfragen stellen, wäre die Arbeit in unterschiedlichen Zeitzonen eher ein Nachteil.

Welche Tools sind für Sie unverzichtbar?

Obwohl wir von verschiedenen Orten aus arbeiten, benutzen wir Slack und andere Tools, um in ständigem Kontakt zueinander zu bleiben. Das ist fast so, als würden wir im selben Office sitzen.

Wir arbeiten hauptsächlich mit der Google Suite für E-Mail, Dokumente und Kalender. Für das Projektmanagement setzen wir Asana und Jira ein. Unsere Kunden erhalten dann Zugang zu ihren Projekten und zu einer geteilten Ablage, wo wir alle relevanten Dateien ablegen. Unsere Kunden bekommen auch Zugang zu einem geteilten Slack-Channel, damit wir die Kommunikationswege möglichst kurz halten können und wir ein E-Mail Chaos vermeiden. Für Videokonferenzen, Webinare und Online-Meetings nutzen wir Samba Live und für klassische Telefonate Yodel.

Wichtig ist dabei, dass man sich nicht zu sehr auf die Tools fokussiert. Die Auswahl an Produktivitäts-Tools steigt gefühlt mit jedem Tag und da kann man sich schnell verloren fühlen. Die Tools sind zwar wichtig. Damit die Zusammenarbeit aber wirklich gut funktioniert, benötigt es mehr. Dafür haben wir unterschiedliche Rituale und Richtlinien entwickelt. Offene Kommunikation ist dabei das Herzstück unserer Organisation, wobei wir uns hauptsächlich asynchron via Chat unterhalten, da wir oftmals in verschiedenen Zeitzonen arbeiten und gegenseitig unseren Arbeitsfluss nicht stören möchten.

Im Gegensatz zu vielen Unternehmen, die zur Zeit ihre Tipps fürs Home Office teilen wollen, haben Sie schon eine gewisse Erfahrung vorzuweisen. Ihre drei wichtigsten Empfehlungen?

Das Wichtigste ist meiner Meinung nach die Online-Sozialisierung, also dass man die Kommunikation aufrecht erhält. Man braucht auch einen virtuellen Pausenraum, um sich mit Kollegen über andere Dinge als die Arbeit zu unterhalten. Das löst jedes Unternehmen anders: man kann zum Beispiel einen Buchzirkel organisieren, gemeinsam etwas Einfaches zu Mittag kochen oder spielerische Wettbewerbe einführen. Davon abgesehen sollte man sich zumindest einmal im Jahr in echt sehen.

Wer sich vor allem jetzt im Home Office alleine fühlt, sollte überlegen, sich mit Kollegen in einem Videoraum zu treffen, um im gleichen virtuellen Raum zu sitzen. Der größte Vorteil: man kann das Mikro jederzeit ein- oder ausschalten und muss so die Kollegen zum Beispiel beim Telefonieren nicht stören.

Meine letzte Empfehlung: Strukturen beziehungsweise Rituale für den Arbeitsalltag bieten einen festen Anker im Tagesverlauf an. Vor allem beim mobilen Arbeiten verschwinden die Grenzen zwischen Privat- und Arbeitsleben oft. Daher ist es wichtig, für sich selbst eine Struktur zu schaffen. Dabei geht es jetzt nicht darum, Jeans statt Pyjama zu tragen, sondern vielmehr darum, auf regelmäßige Pausen und seinen eigenen Biorhythmus zu achten. Aus Unternehmenssicht sollte man überlegen, tägliche Stand-ups oder wöchentliche Check-ins einzuführen. Diese Rituale sollten aber stets auf Vertrauen und Transparenz aufgebaut sein.

Beim Home Office gibt es ja angeblich zwei Phänomene: Mitarbeiter, die zu viel arbeiten, weil sie nicht den Eindruck erwecken wollen, dass sie sich auf die faule Haut legen, und die, die es wirklich tun. Wie vermeidet man das eine oder andere?

In dem man sich auf Ergebnisse konzentriert und nicht auf die Zeit, die man vor dem Bildschirm verbringt. Das spiegelt sich auch in der Zusammenarbeit mit unseren Kunden wider: Anstatt nach Stunden abzurechnen, rechnen wir bevorzugt nach dem Value-based-Pricing-Modell ab. Dabei stehen das Ergebnis und der Wert dieses Ergebnisses über der Zeit, die man dafür aufwendet. Zudem ist das Vertrauen innerhalb des Teams sehr wichtig.

Hat sich in der aktuellen Situation auch etwas für Sie geändert?

Natürlich betrifft die aktuelle Situation jeden Menschen. Man macht sich Sorgen, muss seinen Alltag neu gestalten. Die Unsicherheit in allen Lebensbereichen ist spürbar.

Im Arbeitsalltag hat sich für uns jedenfalls nicht viel geändert. Wir sind zwar in der Wahl des Arbeitsplatzes eingeschränkt und können nicht mehr von einem Coworking-Space oder einem Café aus arbeiten, aber das sind Luxusprobleme.

Zum Glück hat die aktuelle Krise unsere Kunden kaum beeinträchtigt, wir bekommen aktuell sogar viele neue kurzfristige Anfragen rein.

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Wie glauben Sie, wird sich die Arbeitskultur nach der Krise ändern?

Ich denke, dass die aktuelle Krise noch länger nachwirken wird. Viele Unternehmen haben sich jahrelang gegen das mobile Arbeiten gesträubt. In der aktuellen Situation sind die Unternehmen zum Umdenken gezwungen, um weiter arbeiten zu können. Ich glaube, dass nun viele Unternehmen und vor allem Mitarbeiter erkennen, dass es eigentlich egal ist, von welchem Ort aus man arbeitet. Das trifft natürlich nicht auf alle Branchen zu. Ich behaupte aber, dass der Großteil der Menschen, die am Schreibtisch im Büro arbeiten, das genauso gut von einem anderen Ort aus machen können. Und das ohne ewig zum Arbeitsplatz pendeln zu müssen. Das muss natürlich nicht fünf Tage die Woche sein, aber vielleicht können die Menschen so eine bessere Balance aus Arbeits- und Privatleben finden.

Eine weitere, nachhaltige Änderung wird hoffentlich die Meeting-Kultur betreffen. Ich hoffe, dass viele Unternehmen erkennen, dass man für ein Meeting nicht in der Business Class durch die Welt reisen muss. Persönliche Kontakte sind wichtig, aber viele Meetings könnten ganz einfach online abgehalten werden. Dadurch, dass sich jetzt jeder mit den Videokonferenzen anfreunden muss, werden die Leute hoffentlich sehen, dass das gar nicht so schlimm ist. Ich hoffe, dass dadurch ein anderes Bewusstsein für oftmals unnötige Geschäftsreisen entsteht.

Und schließlich hoffe ich, dass ein Umdenken hinsichtlich der Definition von Produktivität stattfindet. Hoffentlich erkennen nun viele Unternehmen, dass Ergebnisse mehr zählen als die Zeit, die man am Schreibtisch absitzt.

Dominik Berger, Gründer und Geschäftsführer von Attention Fox.

Dominik Berger, Gründer und Geschäftsführer von Attention Fox.

Dominik Berger ist Gründer und Geschäftsführer von Attention Fox. Der 30-jährige studierte Information Systems an der Wirtschaftsuniversität in Wien und war sowohl als Freelancer als auch in unterschiedlichen Rollen bei verschiedenen Unternehmen tätig. Attention Fox ist eine Digitalmarketing-Agentur mit den Schwerpunkten Content Marketing, SEO, Performance Marketing und Marketing Automation. In der Agentur arbeitet ein internationales Team aus Spezialisten zusammen. Zu den Kunden gehören überwiegend B-to-B-Unternehmen mit Tech-Fokus wie Zageno, Ubiq, Genesys und Digital Samba.


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Autor: Marina Rößer

Marina Rößer hat in München Politische Wissenschaften studiert, bevor sie ihre berufliche Laufbahn in einem Start-up begann und 2019 zu W&V stieß. Derzeit schreibt sie freiberuflich von überall aus der Welt, am liebsten in Asien, und interessiert sich besonders für Themen wie Nachhaltigkeit und Diversity.