Kontrollen oder Sanktionen bei der Einhaltung der Homeoffice-Regelungen werden nach Meinung von Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) aber "nur ganz selten" gebraucht werden. "Wir wollen kein bürokratisches Gebilde, sondern wir wollen erreichen, dass es flexibel im Interesse der Betriebe und Arbeitnehmer funktioniert", sagt er im ARD-"Morgenmagazin" am Mittwoch. Es müssten so wenig Menschen wie möglich im öffentlichen Nahverkehr oder auf den Straßen sein. "Wir müssen soziale Kontakte reduzieren", so Altmaier. "Wir wollen so wenig staatliche Regulierungen wie möglich."

Entsteht da ein "Bürokratiemonster"?

Ein Zwang zum Arbeiten in den eigenen vier Wänden ist allerdings umstritten. Nordrhein-Westfalens Wirtschaftsminister Andreas Pinkwart (FDP) sagte im Radiosender WDR 5, das Ziel, den Homeoffice-Anteil an der Belegschaft zu erhöhen, sei zwar richtig, der Weg über eine Verordnung sei aber falsch. Die von Heil vorgelegte Regelung sei ein "Bürokratiemonster". Pinkwart wies darauf hin, dass Unternehmen seit dem Ausbruch der Pandemie mit Hygienekonzepten und mit geteilten Teams, die wechselnd zu Hause und im Unternehmen im Einsatz waren, "hervorragend gearbeitet" hätten. Ähnlich hatten Unternehmerverbände in der seit Wochen laufenden Homeoffice-Debatte argumentiert - und sich stets gegen eine Pflicht zur Arbeit zu Hause gesperrt.

Für Ärztefunktionär Frank Ulrich Montgomery ist eine solche Pflicht aber nun dringend geboten. "Es ist gut, dass die Arbeitgeber jetzt per Verordnung zu mehr Homeoffice-Angeboten gebracht werden sollen", sagte der Vorsitzende des Weltärztebundes der "Rheinischen Post" (Mittwoch). "In dieser zweiten Welle wurden noch viel zu viele Büros offengelassen. Es gab sogar Unabkömmlichkeitserklärungen, die an Arbeitnehmer verschickt wurden, obwohl dies nicht unbedingt nötig gewesen wäre." Aus seiner Sicht haben Arbeitgeber "einen Anteil daran, dass die Infektionszahlen noch einmal so stark steigen konnten".

Der Hauptgeschäftsführer des Arbeitgeberverbands Gesamtmetall, Oliver Zander, bezeichnete die beschlossenen Vorgaben für mehr Homeoffice als "inakzeptabel". Noch im November habe Heil verkündet, von diesem Vorhaben abzusehen. "Dieses nun unter dem Etikett der Pandemiebekämpfung einzubringen, erweckt den Eindruck, als nutze der Minister die Pandemie für parteipolitische Zwecke", teilte Zander mit.

In der Kritik steht die Politik weiter wegen einer aus Sicht vieler Firmen schleppenden Zahlung von finanziellen Hilfen. Vor allem der Handelsverband Deutschland kritisiert immer wieder, dass versprochene Hilfen bislang nicht geflossen seien. Die Modeindustrie schlug erneut Alarm. Nach Umsatzeinbußen von bis zu 45 Prozent treffe der seit November immer weiter verschärfte Lockdown die mittelständischen Bekleidungshersteller hart, sagte die Präsidentin des Gesamtverbands der deutschen Textil- und Modeindustrie, Ingeborg Neumann, der "Neuen Osnabrücker Zeitung".

Auch der Präsident des Instituts für Weltwirtschaft in Kiel (IfW), Gabriel Felbermayr, warnte angesichts der erneut verlängerten Schließungen vor einer Insolvenzwelle. "Je länger der Shutdown dauert, umso stärker leiden die Unternehmen, umso mehr werden ihre Reserven angeknabbert, umso größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass wir nach dem Ende der Krise eine große Insolvenzwelle sehen", sagte er bei "Bild live". "Das Mindeste, was jetzt passieren muss, dass man mit großzügigen Abschlagszahlungen versucht, die Unternehmen, die unschuldig betroffen sind, über Wasser zu halten."

Nach schwerer Kritik versprach die Bundesregierung am Dienstag, schnell nachzubessern. "Die Hilfen werden einfacher, umfangreicher und zielgenauer", sagte Finanzminister Olaf Scholz (SPD). Scholz erzielte eine Einigung mit Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU). Altmaier erklärte: "Wir werden die Überbrückungshilfe III drastisch vereinfachen und auch bei der Höhe noch eine Schippe drauflegen."

Bitkom: Homeoffice sollte Standard sein

Bitkom-Präsident Achim Berg: "Keinem Unternehmer oder Manager wird gefallen, wenn der Staat so tief in seine unternehmerische Freiheit eingreift und ihm vorschreibt, wo und wie seine Mitarbeiter zu arbeiten haben. Jetzt rächt sich, dass immer noch zu viele Unternehmen das Homeoffice nicht zum Standard gemacht und selbst mitten in der Corona-Pandemie auf eine Präsenz ihrer Mitarbeiter im Betrieb bestanden haben. Mit der neuen Homeoffice-Pflicht werden weitere 4,2 Millionen Erwerbstätige aus den Büros ins Homeoffice beordert. Zusätzliche 8,3 Millionen Erwerbstätige, die derzeit teilweise im Homeoffice arbeiten, sollen künftig ganz auf die Fahrt ins Büro verzichten. Wir erwarten, dass der Verkehr mit in Normalzeiten 19 Millionen Berufspendlern durch die Arbeit im Homeoffice um etwa die Hälfte gegenüber dem Vor-Corona-Niveau zurückgeht. Damit werden auch die Infektionsrisiken jener Menschen stark reduziert, die aufgrund ihrer Tätigkeit nicht im Homeoffice arbeiten können. Dass Homeoffice für alle funktioniert, wissen wir aus Untersuchungen und nicht zuletzt aus eigener Erfahrung: Die Mitarbeiter des Bitkom und vieler seiner Mitgliedsunternehmen arbeiten seit März 2020 nahezu ausschließlich im Homeoffice. Die Leistungsfähigkeit des Bitkom und der Branche wurde dadurch in keiner Weise beeinträchtigt."

Den größten Handlungsbedarf sieht Berg in der Öffentlichen Verwaltung. "Die meisten der fünf Millionen Beschäftigten der Öffentlichen Hand könnten von ihrer Tätigkeit her auch zu Hause arbeiten, den wenigsten wird es bislang ermöglicht. So wird zum Beispiel in jeder zweiten Kommune Homeoffice für kommunal Beschäftigte überhaupt nicht ermöglicht. Die Verpflichtung gegenüber den Unternehmen sollte ebenso auf die Öffentliche Verwaltung angewandt werden. Hier muss sich die Politik in Bund, Ländern, Städten und Gemeinden an die eigene Nase fassen. Wie es geht, haben jene Verwaltungen schon bewiesen, die bereits frühzeitig die Digitalisierung ihrer internen Prozesse in Angriff genommen haben und relativ schnell und weitreichend auf Homeoffice umstellen konnten."

Laut einer Bitkom-Studie vom Dezember 2020 können 55 Prozent aller Jobs zumindest teilweise auch von zu Hause aus erledigt werden. Allerdings nehmen dies nur 45 Prozent der Erwerbstätigen wahr. Dabei arbeiten lediglich 25 Prozent der Homeoffice-Berechtigten vollständig zu Hause, 20 Prozent zumindest teilweise.