Automatische Zeiterfassung ist eine Art zweites Gedächtnis für den Einzelnen. Die Daten sind geheim und werden ausschließlich auf der Festplatte gespeichert. Das heißt, nur der Nutzer kann seine Computeraktivitäten sehen. Überwachungstools sind das Gegenteil: Ihr Zweck ist nicht dem Mitarbeiter zu helfen, sondern dem Chef über die Cloud zeigen zu können, was der Mitarbeiter auf seinem Gerät macht. Da gibt es dann heimliche Screenshots, Auswertungen des Arbeitsverhaltens, Attention Tracking und anderen Quatsch.

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Welche Rolle spielt der Umzug ins Homeoffice beim Erfolg dieser Lösungen?

Die Hauptrolle. Einige Arbeitgeber haben ein großes Misstrauen gegenüber ihren Angestellten und finden den Gedanken unerträglich, sie zu bezahlen ohne ihre Arbeitszeiten kontrollieren zu können. Überwachungstools sind ein Reflex von unfähigen Managern, die an die Formel Anwesenheit ist gleich Produktivität glauben. Dabei ist zum Beispiel die Vorstellung im Büro 8 Stunden pro Tag produktiv zu sein eine reine Illusion. Studien deuten eher auf drei Stunden hin.

Wie stehen Sie als Zeiterfassungs-Anbieter denn zur Überwachung im Home Office?

Eine Schnapsidee. Genau wie Überwachung im normalen Office. Die Kontrolle des Arbeitsverhaltens kann Mitarbeiter zwar zu mehr Leistung motivieren ­– aber nur bei unterkomplexen Aufgaben wie Briefbögen falten. In Jobs, die Kreativität oder Urteilskraft erfordern, braucht es Feedback auf Ergebnisse. Gute Führungskräfte wissen, dass es nicht zielführend ist, den Weg dorthin zu überwachen. Das demotiviert Mitarbeiter nur.

Überwachung macht Büroarbeiter also unproduktiver?

Man weiß aus 50 Jahren Forschung, dass Motivation über Kontrolle nur kurzfristig funktioniert. Wenn Mitarbeiter auf Dauer Gas geben sollen, geht das nur über ihre Eigenmotivation. Und die steigt unter anderem, je mehr Autonomie man ihnen im Arbeitsalltag überlässt. Überwachung ist das komplette Gegenteil davon.

Was können Chefs tun, die sich möglichst produktive Heimarbeiter wünschen?

Vertrauen. Laut der Standford University sind Heimarbeiter bis zu 13 Prozent produktiver als ihre Kollegen im Büro. Das hat zum einen Gründe wie die effizientere Kommunikation über Tools. Eine größere Rolle spielt meiner Meinung nach die freie Zeiteinteilung. Wenn ich zum Beispiel im Suppenkoma zwischen 14 und 16 Uhr nicht gezwungen bin "beschäftigt zu spielen" – und stattdessen Sport oder Hausarbeiten mache – kann ich den zweiten geistigen Höhepunkt des Tages zwischen 17 und 19 Uhr nutzen, um effektiver voranzukommen. Anstatt im Stau oder in der Bahn zu stehen.

Werden wir nach der Krise anders auf das Thema Homeoffice und Arbeitszeiten blicken?

Ich bin sehr optimistisch. Wir haben in den letzten Wochen gesehen, wie schnell die Umstellung funktioniert, wenn es sein muss. Selbst unter den erschwerten Bedingungen haben viele Menschen zu Hause gut gearbeitet. Es wird also ganz sicher mehr Heimarbeit geben. Und als nächstes könnten wir dann mal Henry Fords 8-Stunden-Tag hinterfragen. Aber darüber können wir ein andermal sprechen.


 

Niclas Preisner findet, Chefs sollten ihren Mitarbeitern mehr vertrauen.

Niclas Preisner findet, Chefs sollten ihren Mitarbeitern mehr vertrauen.

Niclas Preisner ist seit Juni 2015 Geschäftsführer des Münchner SaaS-Anbieters timeBro, dessen automatische Zeiterfassung bei Agenturen wie Denkwerk im Einsatz ist. Zuvor hat er als junger Kreativer seine Projektzeiten bei Serviceplan Hamburg und BBDO Berlin erfasst.


Copyright: privat
Autor: Marina Rößer

Marina Rößer hat in München Politische Wissenschaften studiert, bevor sie ihre berufliche Laufbahn in einem Start-up begann und 2019 zu W&V stieß. Derzeit schreibt sie freiberuflich von überall aus der Welt, am liebsten in Asien, und interessiert sich besonders für Themen wie Nachhaltigkeit und Diversity.