Unsere Entscheidung ist das Ergebnis eines ständigen Austausches mit unseren Mitarbeitern. Auf die Frage, welche Bedingungen es ihnen ermöglichen würden, ihre beste Arbeit zu leisten, wünschten sich 60 Prozent das persönliche Arbeiten vor Ort und 40 Prozent Remote-Arbeit. Dieses Ergebnis lässt sich jedoch nicht einfach mit einer Drei-Tage-Woche im Büro abbilden. Ein Arbeitsmodell, bei dem jeder für eine bestimmte Anzahl von Tagen im Büro arbeiten muss, wäre nicht hybrid, da die Basis in diesem Fall das Büro wäre. Auch eine Anwesenheitsliste zu führen, wäre kein wirklich hybrides Arbeiten. 

Hybrid ist, wenn jeder auf seine Weise sein Bestes geben kann

Wichtig für die neue Form des Arbeitens, die die verschiedenen Arbeitsformen kombiniert, sind vor allem eine gute Kommunikation und das nötige Vertrauen in alle Beteiligten. Dann sind Leistungen möglich, die nicht nur an die vorherigen anknüpfen können, sondern darüber hinausgehen. Dies kommt nicht nur unserem Unternehmen zugute, sondern vor allem auch unseren Kunden. Aufgrund dieser neuen Arbeitsweise können wir uns noch stärker als zuvor auf sie fokussieren und flexibler auf Kundenbedürfnisse eingehen. 

Schon jetzt kann sich der Erfolg sehen lassen

Aufgrund der positiven Erfahrungen, die wir in den vergangenen anderthalb Jahren mit Remote-Arbeit verzeichnen konnten, sind wir zuversichtlich, dass dies der Weg der Zukunft ist. Unsere Mitarbeiter haben nämlich die traditionelle Verknüpfung zwischen Präsenz und Produktivität nachweislich widerlegt. 2021 war unser bisher bestes Jahr in punkto Neugeschäft – auch in der DACH-Region. So konnte unser Berlin-Office die Zusammenarbeit mit Siemens, Ikea, Google und E.ON noch einmal deutlich ausbauen.

Auch wissen wir nun, dass außergewöhnliche Kreativarbeit und Award-Siege nicht an Präsenz im Büro gebunden sind. So hatten wir bei The One Show dieses Jahr den bisher größten Preisregen und holten zehn Cannes-Lions, darunter einen Grand Prix. Alles mit Arbeiten, die auf Abstand entwickelt wurden.

"Büro" muss neu definiert werden

Für kreative Unternehmen müssen wir die Rolle des Büros neu erfinden. Büros wandeln sich von Unternehmensräumen zu Werkzeugen für unsere Arbeit. Unsere bei R/GA werden zu Orten für Projektmeilensteine, besondere Ereignisse und immersives Lernen. Sie werden eher Schauplätze als Fabriken sein. Meinen festen Schreibtisch gebe ich gerne für ein Projektbüro, einen Schulungsraum und eine Kaffeetheke auf.

Wenn es uns ernst ist, echte hybride Arbeit zum Erfolg zu führen, müssen wir Platz für Remote-Mitarbeiter schaffen. Wir haben dies während der COVID-Pandemie getan. Solo-Spezialisten aus der Ferne arbeiten zu lassen ist noch einfach, bei Führungskräften wird die Entscheidung real.

Viele unserer Führungskräfte wurden während des Lockdowns eingestellt oder sind weit von unseren physischen Büros entfernt, wie drei neue Leads in unserem New Yorker Flagship: Der Manager für Connections Planning lebt in Chicago, der ECD für die Kampagnenkreativarbeit und der Geschäftsführer, der die Produkt- und Servicearbeit leitet, haben noch nie einen Fuß ins Büro gesetzt. Und auch der Award-Manager, der unsere Rekord-Awards-Saison organisierte, arbeitete von einer Farm im ländlichen Maryland aus.

Ein anderer wichtiger Punkt ist Gleichwertigkeit und Chancengleichheit zwischen den Menschen, egal, ob sie am (Hot-)Desk oder auf der Dachterrasse arbeiten. Das gilt für Workshops ebenso wie für Leistungsgespräche. Einige unserer Mitarbeiter wurden während ihrer Remote-Arbeit zweimal befördert; auch das muss weitergehen. Unentbehrlich sind die nötigen technischen Voraussetzungen mit Zoom-Meetings und Miro-Boards, sodass die Leute buchstäblich auf derselben Seite sind, egal ob sie sich einwählen oder vor Ort sitzen.

Hybridarbeit verbindet Talente

Echte Hybridarbeit ermöglicht es uns, aus einem größeren Talentpool zu schöpfen. Fast 40 Prozent unserer Projektteams bestehen mittlerweile aus Mitarbeitern mehrerer Büros. Wir können nun Menschen, die außerhalb der Pendlerdistanz zu unseren Büros leben, Chancen bieten und damit eine bessere Option für Menschen sein, die sich nicht zwischen Arbeit und Familie entscheiden wollen.

Die wirtschaftliche Erholung hat das Kräfteverhältnis zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern verändert. Die US-Wirtschaft soll in diesem Jahr um 7 Prozent wachsen. Es gibt acht Millionen offene Stellen. Vier Millionen Amerikaner haben sich letzten Monat entschieden, ihre Jobs aufzugeben. Und auch in Deutschland kommt es, besonders in Agenturen, derzeit zu Kündigungswellen.

Das Jahr 2020 hat uns gelehrt, dass es keine klare Grenze zwischen Arbeit und Privatleben gibt. Wenn Menschen mehr denn je die Wahl haben, wie sie ihre Talente einsetzen können, warum sollten sie dann ihre Möglichkeiten einschränken?

"Designing a more human future" fängt bei uns an 

In der gesamten Kreativbranche müssen wir die Rückkehr ins Büro vom Thema Personalmanagement abkoppeln und stattdessen zu einer Chance machen, die Zukunft neu zu gestalten. Das Ausmaß des Wandels macht es für alle Unternehmen, die von Innovation leben, zu einer Herausforderung, die es wert ist, angenommen zu werden. Unser eigener Purpose bei R/GA besteht darin, Unternehmen und Marken für eine menschlichere Zukunft zu gestalten. Mit dieser Ausrichtung waren wir bereits vor der Pandemie gut aufgestellt. Nun müssen wir diesen Weg mit Ehrgeiz weitergehen und wie bei allen Designprojekten Prozesse wiederholen, wenn sie funktionieren. Rishad Tobaccowala, das Urgestein in Sachen Transformation, beschreibt hybride Unternehmen als Software-Releases, die im Laufe der Zeit Gestalt annehmen.

Wir müssen bescheiden genug sein, um dabei zu lernen und unsere Fortschritte zu teilen. Die Rückkehr könnte genauso radikal sein, wie das Jahr des Lockdowns.


Tom Morton

Tom Morton

Über den Autor: Als Global Chief Strategy Officer bei R/GA leitet Tom Morton die Strategiedisziplin. Unter seiner Führung arbeitet ein Kollektiv von über 100 Marketingwissenschaftlern, Strategen und Verbindungsplanern zusammen, um Erkenntnisse zu gewinnen und vollständig integrierte kreative Lösungen für Marken zu entwickeln. Unter anderem hat er schon für Marken wie Samsung, Verizon, ESPN, PepsiCo, Virgin Mobile, PlayStation und das Museum of Modern Art gearbeitet.

 


Autor: W&V Gastautor:in

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