Bundesverfassungsgericht:
Kein Recht auf Vergessen bei ordnungsgemäßer Recherche
Binnen kurzer Zeit die zweite Entscheidung zum Recht auf Vergessen: Das Bundesverfassungsgericht lehnte eine Verfassungsbeschwerde ab, in der es um die Löschung von Artikeln zu Korruptionsvorwürfen ging.
Medien müssen alte Online-Artikel über Filz und Korruption nicht unbedingt löschen, nur weil die Staatsanwaltschaft Ermittlungen fallen lässt oder gar nicht erst einleitet. Das beschloss das Bundesverfassungsgericht und nahm eine entsprechende Verfassungsbeschwerde gar nicht erst zur Entscheidung an, wie am Donnerstag in Karlsruhe mitgeteilt wurde. (1 BvR 146/17).
Experten sprechen in so einem Fall von Verdachtsberichterstattung. Für solche Artikel gelten laut Gericht ”besonders gesteigerte Anforderungen an die ursprüngliche Veröffentlichung (...), die deren öffentliches Vorhalten im Regelfall auch langfristig tragen“. Das heißt konkret zum Beispiel, dass in der alten Veröffentlichung alle Beteiligten die Möglichkeit gehabt haben müssen, sich zu äußern. Zudem darf der Bericht keine Vorverurteilung vermitteln. Dass ein Bericht ursprünglich bei Erscheinen zulässig war, sei wesentlich.
Geklagt hatte ein Unternehmensberater, über den eine Zeitung 2007 im Zusammenhang mit Korruptionsermittlungen bei einem Großkonzern geschrieben hatte. Der Mann soll demnach hohe Bestechungsgelder an potenzielle Kunden gezahlt haben. Ranghohe Manager belasten in dem Text den Unternehmensberater. Daneben erwähnt der Bericht, dass der Konzern zu den Vorwürfen nicht Stellung genommen habe. ”Sowie dass die Staatsanwaltschaft erklärt habe, dass der Beschwerdeführer weder befragt noch beschuldigt worden sei, dass er selbst die Vorwürfe abstreite und geltend mache, dass er mehrfach erfolglos Korruptionsfälle intern angezeigt habe und dass er einem etwaigen Anruf der Staatsanwaltschaft gelassen entgegenblicke“. Ein Ermittlungsverfahren gegen den Berater wurde nicht eröffnet.
In Ausnahmefällen könne eine ursprünglich berechtigte Berichterstattung ”durch Zeitablauf oder durch zwischenzeitlich hinzugekommene Umstände eine die betroffene Person derart belastende Dimension gewinnen“, dass ein Recht auf Löschung berechtigt sein könne. In diesem Fall sah die 2. Kammer des Ersten Senats jedoch keine Hinweise für ein solches Recht auf Vergessen.
In der vergangenen Woche urteilte der Bundesgerichtshof zum Recht auf Vergessenwerden. Auch er maß dem Informationsbedürfnis der Öffentlichkeit und der Pressefreiheit hohen Wert bei.