Worauf kommt es bei einer digitalen Nutzererfahrung an? Wie kann man sich vom Wettbewerb abheben?

"Bei einer digitalen Nutzererfahrung kommt es darauf an, dass sie funktional ist, sich einfach bedienen lässt und sich auf die Bedürfnisse der Menschen fokussiert. Ein gängiger Spruch in der Branche ist, dass wenn das Produkt zusätzlicher Erklärung bedarf, es keine gute Nutzererfahrung ist. Um das zu schaffen, müssen Unternehmen im ersten Schritt herausfinden, was für Probleme und Bedürfnisse es gibt z.B. durch Interviews oder Beobachtungen. Danach müssen die Lösungsideen Prototypen, testen & iterieren – kurz zusammengefasst. Das Praktische ist, dass Unternehmen momentan mit relativ kleinen Änderungen, aus der Masse herausstechen, weil viele Lösungen nicht einmal nutzerfreundlich sind."

Wie definieren Sie CX und UX eigentlich? Gibt es da einen einheitlichen Standard?

"Wir unterscheiden zwischen Nutzerfreundlichkeit und Funktionalität. Nutzerfreundlichkeit lässt sich relativ gut messen, z.B. durch die Geschwindigkeit, mit der der Nutzer sein Ziel erreicht. Die UX verbindet es aber mit Funktionalität und da kann es eigentlich keinen richtigen Standard geben, weil es auf individuelle Anforderungen an die Funktionalitäten ankommt. Was es gibt, sind allerdings Best Practice Beispiele für die Umsetzung von bestimmten Funktionalitäten."

Wer hat die Nase vorn in Sachen digitale Erlebnisse? Junge Start-ups oder alteingesessene Unternehmen?

"User Experience geht jeden etwas an. Die großen Unternehmen haben jetzt noch kein Problem, weil Nutzer eine gewisse Abhängigkeit von ihnen haben und sie von ihrer Bekanntheit profitieren. Wenn sie ihren Fokus aber nicht auf UX setzen, werden bessere Lösungen vorbeiziehen. Da kommt schnell mal ein Salesforce vorbei und macht das einfach besser, als die bekannten Tech-Player. Langfristig wird eine namenhafte Marke nicht ausreichen, um die Kunden zu halten."

Welche Trends in Sachen Design und Bildsprache gibt es? Wie ändert sich das und wie kann man immer up to Date bleiben?

"Der Größte Trend ist wahrscheinlich Minimalismus. Wenn man sich die Apps von Design-Vorreitern wie Instagram oder AirBnB anschaut, fällt auf, dass sie sich immer ähnlicher sehen. Das kommt daher, dass der Fokus auf die Funktionalität gelegt wird, das Branding verschwindet fast komplett. Es werden wenig Farben, universelle Icons und dicke, schwarze Überschriften benutzt. Das sorgt dafür, dass sie sich leichter und intuitiver nutzen lassen. Ein weiterer Trend ist gestenbasiertes Design, durch bessere Handykameras, kann “Touch” zum Teil ersetzt werden und es bieten sich völlig neue Interaktionsformen im mobilen Bereich. Up-to-Date bleibt man am besten mit Blogs, aber auch einem Blick auf die großen Design-Player. Diese bestimmen den Standard, den die Nutzer als intuitiv und vertraut empfinden.

Was wird sich langfristig ändern? Wie wird es um CX und UX in der ferneren Zukunft bestellt sein?

"Langfristig wird UX ein Asset in allen Unternehmen. Fast jedes Produkt kann in seiner Grundfunktionalität heutzutage blitzschnell kopiert werden. Das Erlebnis, dass wir mit einem Produkt erschaffen, ist das Alleinstellungsmerkmal und bietet den Wettbewerbsvorteil. Der Standard wird sich wegbewegen von der Wasserfall-Entwicklung und der Einstellung, dass man schon zu Beginn eines Projektes wissen kann, was am Ende dabei herauskommt. Dazu gehört, dass
agile Arbeitsweise in mehr Unternehmen gelebt wird und das Design einen viel größeren Stellenwert in der Produktentwicklung einnimmt. Das wird in Zukunft auch dazu führen, dass die Kommunikation zwischen Nutzern und Unternehmen viel unmittelbarer und enger wird, weil sie viel stärker am
Entstehungs- und Weiterentwicklungsprozess von Produkten beteiligt sind."

Hester Hilbrecht berät mit ihrer Firma Mermaid Studios Unternehmen bei der Verbesserung ihres Digitalauftritts.


Autor: Julia Gundelach

Julia Gundelach ist freie Autorin mit Schwerpunkt Specials. Daher schreibt sie Woche für Woche über neue spannende Marketing- und Medien-Themen. Dem Verlag W&V ist sie schon lange treu – nämlich seit ihrem Praktikum bei media & marketing in 2002, später als Redakteurin der W&V.