Die Budgets werden auch im Regionalen umgeschichtet Richtung Online. Welche Rolle spielen dabei noch die Klassiker?

"Werbungtreibende versuchen natürlich, ihre Budgets immer gezielter und damit effizienter einzusetzen. Oft fragen sie sich nach jahrelangem Fokus auf nationale TV-Kampagnen, wie viel Medialeistung in jede einzelne Filiale fließt. Deshalb bewerten wir den Einsatz der Kommunikationskanäle je nach Aufgabenstellung, Kommunikationsziel und Konsument bzw. Zielgruppe zu Recht neu. In einer Vielzahl von Fällen können, wollen und müssen wir aber auch Klassiker einsetzen, um eine regionale Durchdringung und Aktivierung zu erreichen.

Der Umfang von Online-Marketing leitet sich aus der Zielsetzung der Kampagne und der Customer Journey der Zielgruppe ab. Um den enormen Herausforderungen zu begegnen, haben wir bei UM Retail einen Modelling- und Attributionsansatz entwickelt, der vor und während der einzelnen Maßnahmen genau diese Fragen beantwortet."

Wie wichtig ist der Point of Sale in der regionalen Kommunikation? Und was muss dort getan werden, um Kunden auch weiterhin zu begeistern?

"Unser Ansatz ist: Vom Point of Sale zum Point of Communication! Der Point of Sale muss wieder mehr Strahlkraft entwickeln und erlebbarer Teil der individuellen Konsumentenreise werden. Das gelingt nur, wenn der Konsument die Verkaufsfläche wahrnimmt und sie einen realen Mehrwert für ihn bietet. Die Flächenzuordnung ist in vielen Unternehmen noch sehr vom Einkauf getrieben. Dort, wo die größte Marge und die höchste Frequenz sind, ist eine Präsenz am wertvollsten. Wir begleiten und beraten Werbungtreibende, noch stärker aus der Perspektive der Konsumenten zu denken.

Als Trend beobachten wir bspw. die Entfernung von Markenwelten und die Hinwendung zu Stilwelten, was zurzeit besonders in der Modeindustrie hervorragend funktioniert. Die Kunden suchen Styles, keine Marken. Aus unserer Sicht muss es gelingen, von der einkaufsgetriebenen Aufteilung der Flächen hin zu einer für den Kunden wertschöpfenden Zuteilung dieser zu gelangen. Konsumenten wollen nicht suchen, sie wollen etwas geboten bekommen, das ihrer aktuellen Lebenswelt und ihrer individuellen Erwartung entspricht. Wir sind überzeugt, dass nur dieses angebotsorientierte, auf den Konsumenten fokussierte Vorgehen für alle Handelsbereiche zukünftig Erfolg haben wird.

Genau hier ist jeder einzelne Retailer jeder einzelnen Branche aufgefordert, sich als eigene Marke zu verstehen und diese zu kommunizieren. Wer das versteht, verwandelt seinen Point of Sale zum Point of Communication und kann diesen gewinnbringend rekapitalisieren."

Was heißt das?

"Auf jeder Handelsfläche gibt es Platz, der sinnvoll und gewinnbringend genutzt werden kann. Das ist nicht jedem Händler bewusst und genau dieses Bewusstsein schulen wir. Gemeinsam mit den Händlern erarbeiten wir zusätzliche Nutzungsmöglichkeiten, von der Promotion bist zur externen Vermietung von Flächen. Ja, die Sorge eine Umsatzeinbuße hinnehmen zu müssen, wenn ich auch nur einen Quadratmeter abgebe, ist groß. Aus unserer Erfahrung wissen wir aber, dass genau das Gegenteil der Fall ist.

Verfügbare Flächen sollten also viel stärker vermarktet werden – genauso wie bspw. In-Store-Radio oder (Outdoor-)Werbewände. Das Potenzial ist enorm. Wir haben z.B. für Kunden bereits Konzepte umgesetzt, die aus dem Handel (Instore) heraus in soziale Medien verlängert wurden. Einzelne konnten sogar die Jury vom Deutschen Mediapreis überzeugen. Darüber freuen wir uns natürlich sehr."

Wie funktioniert erfolgreiches Handelsmarketing in Zeiten der Digitalisierung? Welche Rolle spielen Anzeigenblätter & Co.?

"Die Relevanz von Anzeigenblätter & Co. ergibt sich je nach individueller Aufgabenstellung, Kommunikationsziel und Zielgruppe. Handelsmarketing in Zeiten der Digitalisierung funktioniert nur, wenn ich eine starke Kommunikationsidee mit dem richtigen Kommunikations- und Mediamix paare. Denn gerade in der regionalen Werbung funktioniert die Klassik nur noch eingeschränkt. Denken Sie an die Prospekt- und Werbeverweigerer. Hier ist die digitale Kommunikation eine Option und mit dem richtigen Agenturpartner eine Riesenchance. Leider fehlt vielen Händlern noch der Mut, dies zu sehen und für sich zu nutzen.

Handelsmarketing ist also mehr als Beilage! Wer versteht, was Konsumenten im singulären Moment interessiert, und in der Lage ist, ihm genau diese Information auf dem für ihn relevanten Kanal zu geben, wird erfolgreich sein. Eine kluge Idee und eine konsistente Geschichte verpackt in relevanten Content ist das, was zählt. Dafür brauchen wir alle Kanäle – off- wie online – sowie die Verknüpfung der digitalen und analogen Welt. Und eben auch die Beilage, die für den Handel noch immer Basismedium ist."

Wie gelingt heute erfolgreiche Marktforschung zu regionalen Kampagnen?

"Klassische bzw. statische Marktforschung war gestern. Heute ist Echtzeittracking möglich und zwingend notwendig, um den Erfolg von Kampagnen zu messen bzw. diese entsprechend auszusteuern. Schlussendlich sind Umsatz und Frequenz die härteste Marktforschung-Währung, der wir uns zu jeder Zeit stellen und woran wir unsere Marktforschung messen lassen müssen. Wer heute noch allein auf klassische Marktforschung setzt, wird seine Kunden zunehmend weniger erreichen.

Neue Technologien und die Expertise, Daten kreativ zu bewerten, ermöglichen individuelle, standortspezifische Formen der Konsumentenforschung. Nur so kann der richtige Mediamix abgeleitet, eine Kampagne in Echtzeit getrackt, die Wirkung von Werbung exakt gemessen und die Kampagne in Echtzeit optimiert werden. Mit der Acxiom Akquisition hat unsere Agenturgruppe ein deutliches Ausrufezeichen im Bereich Audience Planning gesetzt."


Autor: Julia Gundelach

Julia Gundelach ist freie Autorin mit Schwerpunkt Specials. Daher schreibt sie Woche für Woche über neue spannende Marketing- und Medien-Themen. Dem Verlag W&V ist sie schon lange treu – nämlich seit ihrem Praktikum bei media & marketing in 2002, später als Redakteurin der W&V.