Die EU will mit den Neuregelungen verhindern, dass Händler aus Nicht-EU-Staaten ihre hiesigen Wettbewerber weiter unterbieten können. Bislang hatten Händler mit Sitz in der EU auf all ihre Waren Umsatzsteuer abführen müssen, während für Importe aus Drittstaaten die Freigrenze von 22 Euro galt. "Wir denken, dass die Verbraucher die zum Teil etwas höheren Preise akzeptieren sollten. Denn sie garantieren einen fairen Wettbewerb", kommentiert der Steuerexperte des Handelsverbands Deutschland (HDE), Ralph Brügelmann. 

Die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfahlen weist jedoch darauf hin, dass die Einfuhrumsatzsteuer nicht komplett wegfällt. Solange der zu zahlende Mehrwertsteuerbetrag unter einem Euro liege, werde er weiter nicht erhoben. Die Verbraucherschützer rufen daher trotz der Neuregelung dazu auf, sich vor der Bestellung auf den Internetseiten des Zoll über die zu entrichtenden Gebühren zu informieren.

Die Freigrenze wurde in der Vergangenheit zudem auch für Steuerbetrug missbraucht. Einige Händler kennzeichneten Pakete so mit einem Preis von unter 22 Euro, obwohl ein viel teureres Produkt enthalten war.

Damit wurde die Mehrwertsteuer nicht automatisch abgeführt. Der Zoll kam den Machenschaften nur durch Kontrollen auf die Schliche. Den Schaden für die EU-Staatskassen durch solche Schlupflöcher schätzt die EU-Kommission auf sieben Milliarden Euro jährlich.

Schluss mit Schummelei

Künftig dürfe es nicht mehr sein, "dass jemand etwas als Babyfon für fünfzehn Euro deklariert und letztlich ist ein I-Phone drin", sagt Brügelmann. Dafür brauche man aber auch mehr Kontrollen.

Außerdem will die EU sicherstellen, dass die Steuern am Lieferort der Waren gezahlt werden. Dafür gilt ab sofort ein EU-weiter Schwellenwert von 10.000 Euro, ab dem Händler Mehrwertsteuer abführen müssen. Bislang hatten in jedem EU-Land einzelne Schwellenwerte gegolten. Die Steuer wird künftig nur noch mit einem Finanzamt abgerechnet und auf die EU-Staaten verteilt, in denen der Händler Umsatz gemacht hat.

Diese "One-Stop-Shop"-Regelung bezeichnet Christoph Trautvetter vom "Netzwerk Steuergerechtigkeit" lediglich als eine Vereinfachung, die damit auch ein potenzielles Risiko darstelle. Umsatzsteuern könnten dann in einem anderen Land als Deutschland erklärt werden, die nicht so genau prüfen wie hierzulande. Der Wissenschaftler erkennt die Bemühungen Deutschlands gegen Umsatzsteuerbetrug an, dennoch sei dies nicht genug. Er verweist auf einen Bericht des Bundesrechnungshofes aus dem Oktober 2020, hier heißt es: "Trotz der bisherigen Anstrengungen des Gesetzgebers und der Verwaltung bei der Betrugsbekämpfung ist bis heute keine Trendwende erkennbar".

Der Branchenverband für Online- und Versandhandel bevh nennt die Regelungen "einen Schritt nach vorn". Für Verbraucherinnen und Verbraucher werde "konkrete Vergleichbarkeit" bei den Preisen geschaffen. Außerdem würden nationale Händler damit im internationalen Preiskampf ein Stück weit entlastet. 

"Grundsätzlich ist das eine Vereinfachung, und wir begrüßen das als Schritt in die richtige Richtung", sagt auch Brügelmann. Kompliziert sei jedoch, die geltenden Mehrwertsteuersätze für einzelne Produkte herauszufinden. Hier brauche es eine einheitliche Datenbank. EU-weit einheitliche Mehrwertsteuersätze lehnt der Handelsverband jedoch ab.

David Hutzler, dpa