Influencer vs. Customer – über die Wahl des Hosts

Je nach Ziel und Budget der Kampagne oder Live-Shopping-Sendung kann auf große oder kleine Influencer:innen gesetzt werden. Sind die wichtigsten KPIs Reichweite und Neukunden, empfehle ich, auf etablierte Personen zu setzen. Das heißt, Influencer:innen, die eine große Fangemeinschaft haben und erprobt in der Live-Kommunikation sind, bei derweder geschnitten oder bearbeitet wird. In China sind die sogenannten KOL, sprich Key Opinion Leader, etablierte Live-Streaming Hosts.

Basierend auf meinen Erfahrungen im chinesischen Markt können aber auch Kund:innen als Hosts fungieren, die bereits Erfahrungen mit der Marke oder den Produkten haben. Das hat direkt zwei Vorteile: bessere Glaubwürdigkeit und höhere Engagement-Raten. Denkbar ist aber auch, Mitarbeiter:innen streamen zu lassen, im eigenen Geschäft, aus dem Lager oder der Produktionsstätte, und damit direkt bestehende Kunden oder Follower zu erreichen. Auch neue Kollektionen oder der Sektempfang bei der Neueröffnung können online und live verlängert werden.

Nähe, Vertrauen, Authentizität

In dem Überangebot an Informationen, Produkten und Kanälen werden vertrauenswürdige Empfehlungen, direkte Interaktionen und Authentizität besonders wichtig. Insbesondere deswegen müssen Live-Sendungen nicht perfekt sein – sie leben von der Imperfektion und sind so näher am Kunden dran. Der Host wird zum Freund, wie früher die Vertreter von Tupperware. Beim Shoppen in Echtzeit via Livestream erhalten die Nutzer authentische Einblicke und können beim Einkaufen oder Testen der Produkte zusehen, um dann selbst zu kauf

Let the stream beginn

Dass noch nicht mehr Marken und Händler Live-Shopping ausprobiert haben, ist verwunderlich. Weder werden eine teure Ausstattung und ein Studio benötig, noch müssen große Budgets aufgewendet werden. Viele Brands sind bereits auf Plattformen wie Pinterest, Instagram, YouTube oder TikTok aktiv, all diese Kanäle bieten hervorragende Live-Formate an, inklusive der Infrastruktur für Kommentare, Reaktionen, Sharing und der Integration von Landingpages.

Auch über die eigene Website kann gestreamt werden, wobei Social Media das Event eher flankiert. Es sollte in jedem Fall darauf geachtet werden, das Shopping-Event zeitlich zu begrenzen und mit exklusiven Rabattcodes oder -aktionen zu verknüpfen, um entscheidende Kaufimpulse zu setzen.

Best Practices aus Europa

Wer jetzt denkt, dass Live-Shopping lediglich etwas für Lifestyle- und Beautymarken im unteren und mittleren Preissegment ist, liegt falsch. Apotheken streamen live aus ihren Räumen, gehen in Dialoge mit den Kunden und gewähren interessante Einblicke, die sonst allen Kunden verwehrt bleiben.

In Europa hat Orsay bereits Live-Formate auf der eigenen Website umgesetzt, über Social Media verlängert und zusätzlich Rabatte angeboten. Die Luxusmarke Dior stellte über TikTok die neue Kollektion vor. Und Flaconi inszenierte eine Live-Shopping Show mit dem Influencer und Make-Up Artisten David Jacobs.

Die Möglichkeiten des Live-Shoppings sind bei Weitem noch nicht ausgeschöpft. Wer es jetzt als Early Adopter im europäischen Markt ausprobiert, wird sich schnell in der hart umkämpften E-Commerce-Branche durchsetzen können. Daher lohnt es sich auch immer, einen Blick nach China zu werfen, wo sich Live-Shopping bereits durchgesetzt hat und Shopping-Innovationen geboren werden.

 


Zur Autorin: Elena Gatti leitet seit 2018 als Managing Director die Vertriebsaktivitäten der Azoya Group in Europa. Zuvor war sie bereits zwei Jahre mit der Leitung des DACH-Raumes betraut. Das Unternehmen hat sich auf E-Commerce, vor allem in China spezialisiert.

Nach Abschluss ihres Bachelorstudiums in Telecommunication Engineering an der Universität von Parma, Italien, absolvierte Elena Gatti ein Masterstudium in Computer Science & Communication Engineering an der Universität Duisburg. Ihre berufliche Karriere begann sie als Projektmanagerin am Department of Multimedia & Software Engineering an ihrer Alma Mater. Danach war sie fünf Jahre im Hause Accenture im Bereich Finance & Performance Management als Consultant tätig bevor sie, ebenfalls als Beraterin, bei der Macromedia GmbH arbeitete. Ende 2015 stieg Gatti bei der Azoya Group als Business Development Managerin ein und übernahm 2016 die Leitung der DACH-Region. Seit 2018 leitet sie als Managing Director Europe die Vertriebsaktivitäten der Azoya Group in Europa.  

Elena Gatti ist verheiratet und hat drei Kinder.


Autor: W&V Gastautor:in

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