In den 60er- und 70er-Jahren gab es eine sexuelle Revolution. Wie erklären Sie sich, dass es bis heute nach wie vor so viele Hemmschwellen zum Thema Sexualität gibt?

Themen wie Sexualität, speziell weibliche Sexualität, Lust und Masturbation, wurden historisch vernachlässigt und unterdrückt. Es haftet dadurch sehr viel Scham an diesen Themen. Ebenso kursieren immer noch viele Mythen und Falschinformationen rund um weibliche Sexualität. Solche tiefsitzenden und seit Jahrhunderten verinnerlichten Glaubenssätze und Denkweisen halten sich hartnäckig und werden leider auch noch viel zu oft reproduziert (z.B. durch Popkultur, konservativen Sexualkundeunterricht oder Literatur). Soziale oder gesamtgesellschaftliche Veränderungen passieren deshalb nicht innerhalb eines Jahrzehnts, auch wenn die sexuelle Revolution natürlich sehr viel bewegt hat. Des Weiteren holen solche Bewegungen immer nur einen Teil der Bevölkerung ab. Um eine breite Akzeptanz gegenüber diesen Themen zu schaffen, braucht es Zeit und fortlaufende Aufklärungsarbeit. Jede Generation ist da schon etwas offener als die vorherige und wir sind heute schon auf einem guten Weg. Wir freuen uns, dass viele Tabuthemen mittlerweile viel präsenter sind, auch in den Medien stattfinden und differenzierter betrachtet und dargestellt werden.