Schneller Umschwung:
Protocol: Entlassungen kurz nach dem Launch
Erst hatte die Technologie-Site Journalisten von Wired, der New York Times und des Wall Street Journals abgeworben, jetzt müssen die ersten Mitarbeiter wieder gehen. Keine drei Monate nach dem Start.
Nicht einmal drei Monate nach dem Launch gibt es bei der amerikanischen Technologie-Website Protocol bereits erste Entlassungen. 13 Mitarbeiter müssen gehen. Betroffen sind offensichtlich sämtliche Bereiche, darunter die Redaktion. Protocol gehört zum Washingtoner Unternehmen Capitol News Company, der Muttergesellschaft auch der politischen Zeitung und Website Politico.
Dabei war Protocol noch mit hochfliegenden Plänen an den Start gegangen. Unterstützt von Politico-Gründer Robert Allbritton hatte Protocol-Chefredakteur Tim Grieve hochkarätige Journalisten von Wired, der New York Times, dem Wall Street Journal und dem Online-Medienunternehmen The Information abgeworben. "Wir haben gesagt, Politico sei das ESPN der Politik. Ich wünsche, dass diese Site zum ESPN für den Technologie-Bereich wird", so Allbritton bei der Ankündigung des Projekts im November vergangenen Jahres.
Doch der Launch-Zeitpunkt Anfang Februar war offensichtlich unglücklich gewählt. "Das Coronavirus hat unseren Glauben an die Mission von Protocol oder an unsere langfristigen Möglichkeiten in keiner Weise erschüttert", heißt es nun in einer Mail von Allbritton, Grieve und President Tammy Wincup an die Belegschaft. "Aber es ist nicht zu leugnen, dass die Pandemie die derzeitigen wirtschaftlichen Gegebenheiten fundamental verändert hat."
Gleichwohl sorgt diese Begründung für die Entlassungen in US-Medienkreisen für Verwunderung. So wäre es in dieser frühen Phase nach dem Launch für Protocol zunächst einmal vorranging darum gegangen, in einem dicht gedrängten Konkurrenzumfeld die eigene Relevanz unter Beweis zu stellen und eine größere Leserschaft aufzubauen, heißt es beispielsweise in einem Blog-Beitrag auf der Journalismus-Website Niemanlab. Die Monetarisierung würde dann erst in einem zweiten Schritt folgen.
Tatsächlich war Protocol als kostenlose, Sponsoren-unterstützte Online-Publikation an den Start gegangen. Die Erwartung sei, so Grieve noch beim Launch der Site, dass man im Laufe des kommenden Jahres zu Bezahlangeboten und anderen Formen der Monetarisierung übergehen werde. "Es fühlt sich alles seltsam an", so das Fazit des Niemanlab, "und nicht gänzlich Covid-inspiriert."